Wir sind wieder unterwegs. Diesmal von Guadeloupe bis in den tiefen Süden der Karibik nach Bequia. Eine Strecke, die uns nicht nur durch türkisblaues Wasser, sondern auch durch eine bunte Palette an Eindrücken, Begegnungen, Wetterlagen, mehrere Inseln und kleinen Alltagsabenteuern geführt hat.

Es ist unsere erste Nachtfahrt seit Langem und wie durch ein kleines Wunder ist auch diesmal die SV Carinya wieder mit von der Partie, genau wie damals auf der Strecke von Barbados nach Bequia. Es ist, als ob sich unsere Wege auf wunderbare Weise immer wieder kreuzen.
Der Start unter Segel ist verheißungsvoll. Der Wind weht sanft mit konstanten 12 Knoten, die Wellen kaum 0,4 m hoch, der Mond scheint und das Meer umhüllt uns mit einem beruhigenden, gleichmäßigen Rhythmus. Auf dem Steuersitz sitzend, umgeben von Dunkelheit und doch nicht allein, spüre ich diese ganz besondere Ruhe, die nur die Nacht auf See geben kann. Nur das Knarzen des Baums, der Wind und die sanfte Gischt begleiten mich. Die Kinder schlafen im Salon, Jakob hält sich bereit, und ich genieße diese stillen Stunden für mich. Die Lichter von Dominica leuchten uns entgegen, Marie Galante blinkt auf der Backbordseite, und das Toplicht von Carinya begleitet uns wie ein stiller Freund.
Zwischen Les Saintes und Dominica kämpfen wir gegen eine kräftige Strömung. Gegen 23 Uhr lässt der Wind nach. Zu wenig für den Autopiloten, der uns ab dann etwas zickig kommt. Wir versuchen es mit fein justierter Segelstellung, aber gegen Mitternacht ist dann endgültig Flaute. Der Motor übernimmt. Sobald die Sonne sich zeigt und wir Dominicas Windabdeckung verlassen, kehrt auch der Wind zurück. Mit voller Besegelung gleiten wir schließlich in Richtung Saint-Pierre auf Martinique.

Saint-Pierre empfängt uns mit kolonialem Charme und der Vertrautheit eines Ortes, den wir inzwischen gut kennen. Beim Einklarieren legen wir wie immer einen Stopp im kleinen Park hinter der Kirche ein. Diesmal mit weniger Mango-Erfolg, aber trotzdem mit kindlicher Begeisterung.

Es zieht uns weiter gen Süden, in die Grande Anse d’Arlet, wo wir kurz überlegen, eher nördlich zu ankern, aber wie so oft, kommt alles anders und genau richtig. Wir landen im Zentrum des Ankerfelds und entdecken beim Schnorcheln mehrere Fischfallen, in denen wir uns im Norden vermutlich mit dem Anker verfangen hätten. Es sollte eben so sein.
Der Schnorchelgang war voller kleiner Überraschungen. Unter anderem diese Mini-Quallen, die sich anfühlen, als ob man durch Brennnesseln schwimmt. Nicht schlimm, aber doch irgendwie… elektrisierend und unsere Mädels haben diese nicht wirklich gemocht 😉

  • Hier musste unser lazy-bag (Segelsack) repariert, mit der Hand genäht werden. 

Der Weg nach Sainte-Anne und schließlich Le Marin war anfangs gut zu segeln, aber Wind und Welle drehen und schlagen uns direkt auf die Nase. Die Strecke ist zwar überschaubar, aber eben auch ein bisschen ungemütlich, nass. Und doch: Auf der Popucu herrscht wie meistens entspannte Gelassenheit.

In Le Marin folgt der kulinarische Jackpot. Ein Tipp führt uns zu einem kleinen Stand mit Currywurst, Bratwurst und Brühpolnischer. Ja, wirklich. Nach monatelanger Abstinenz war das wie Weihnachten im Mai. Dazu ein deutschsprachiger Stammtisch mit neuen Bekanntschaften, Cocktails bei Freunden an Bord (Danke Jürgen!) und leuchtende Kinderaugen beim alkoholfreien Mixen. Diese kleinen Treffen und Begegnungen machen das Seglerleben besonders.

Für viele ist Martinique einfach eine schöne Insel mit französischem Flair, herrlichen Buchten und gutem Essen. Für uns Cruiser aber ist Martinique vor allem eines: ein echtes Proviant-Paradies! Und das ist keine Übertreibung. Hier wird eingekauft, was das Boot tragen kann. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Während in vielen südlicheren Teilen der Karibik die Auswahl kleiner und die Preise deutlich höher sind, bietet Martinique, dank seiner Zugehörigkeit zu Frankreich, die besten Voraussetzungen für eine große Proviant-Offensive. Gut sortierte Supermärkte, französische Produkte, günstige Preise (für Karibikverhältnisse!), große Auswahl (falls verfügbar) und immer wieder kleine Delikatessen, die man anderswo lange suchen würde.

Wir sind daher gleich mehrmals losgezogen, bepackt mit Rucksäcken, Taschen und dem Einkaufswagen im Schlepptau. Und was landet da so alles in den Körben?
– Käse! Richtig guter französischer Käse, in allen Varianten. Camembert, Comté, Brie… für Käseliebhaber ein Traum.
-Wein zu Preisen, von denen man auf anderen Inseln nur träumen kann.
-Schinken, Salami, Baguette… Einfach alles, was das Herz an französischer Lebensfreude begehrt.
-Vorräte für die kommenden Monate. Haferflocken, Reis, Nudeln, Hülsenfrüchte, Konserven, Mehl, Nüsse, Öl… all die Dinge, die wir im Süden nicht so leicht (oder nur sehr teuer) bekommen werden.

Denn wer sich auf den Weg nach Süden macht, etwa nach Grenada, die Grenadinen oder gar Trinidad, weiß: Dort wird alles teurer, importierter und die Auswahl oft eingeschränkter. Viele Inseln haben keine oder nur sehr kleine Supermärkte, und spezielle Produkte sind oft rar.
Martinique ist daher ein strategisch wichtiger Stopp für alle, die länger unterwegs sind. Die letzte große Gelegenheit, um sich für Wochen oder Monate einzudecken. Und es hat fast schon was Rituelles, wie alle Cruiser in Le Marin ihre Einkaufspläne schmieden, Einkaufslisten teilen, Tipps austauschen, welche Märkte was besonders gut führen. 😂
Wir haben uns auf jeden Fall ordentlich eingedeckt. Die Popucu war irgendwann so voll beladen, dass wir gefühlt jede freie Ecke an Bord genutzt haben. Aber: es fühlt sich gut an, versorgt zu sein. Vorbereitet auf neue Inseln, neue Abenteuer. Und auch auf die ein oder andere Flaute, in der ein kühles Glas Wein und ein bisschen Käse für die richtige Stimmung sorgt. 😉

Auf dem Weg zurück ins Ankerfeld vor Sainte-Anne erwischt uns ein kräftiger Squall. Mitten im Manöver zieht ein mächtiger Regenschauer mit 38 Knoten Wind über uns hinweg. Die Sicht fast null und enormer Gegenwind. Wir entscheiden blitzschnell, hier und jetzt zu ankern. Eine gute Entscheidung. Nach dem Sturm setzen wir unsere Fahrt fort ins große Ankerfeld.

Hier noch einpaar Eindrücke von der Bucht in Le Marin und unserem Alltag:


Am nächsten Morgen geht es weiter nach St. Lucia.
Mit vollbeladenem Boot starten wir gemeinsam mit Carinya Richtung Rodney Bay. Das 1. Reff ist im Groß gesetzt, die Genua voll draußen. Ein sportlicher Start! Sobald wir den Windschatten der Insel verlassen, frischt der Wind ordentlich auf, und auch die Genua geht ins Reff. Mit 7-8 Knoten sausen wir dahin, der Kurs perfekt, das Meer lebendig, aber wohlwollend. In Rodney Bay füllen wir rasch unsere Gasflaschen auf. Eine Vorbereitung für die bevorstehende Hurrikansaison. Und dann geht’s schon nach zwei Tagen weiter zur nächsten Nachtfahrt nach Bequia.

Die Etappe hat es in sich: Zwischen St. Lucia und St. Vincent segeln wir entspannt, aber im Windschatten der Insel wird es tricky. Immer wieder reicht der Wind knapp zum Segeln, dann wieder Motoreinsatz. Diese ständigen Wechsel machen die Nacht zwar spannend, aber auch etwas mühsam. Der sorbische Rundfunk (5-9Uhr in der Lausitz, bei uns 23-3Uhr 😀) muntert mich auf und motiviert mich in meiner Nachtschicht. Es wird mitgesungen, auf dem Steuersitz dirigiert und mit großem Interesse verfolgt was in der Heimat so passiert. (Wutrobny dźak serbskemu rozhlósej! 😉)
Doch dann, zwischen St. Vincent und Bequia, läuft alles wie am Schnürchen. Der Wind steht optimal, die Richtung stimmt. Wir fliegen fast über das Wasser mit 7-8 Knoten. Ein echtes Segel-Highlight dieser Reise.

In Bequia werfen wir den Anker hinter der bekannten Floating Bar. Ein Ort voller Erinnerungen, voller Lachen und Gespräche. Und auch diesmal treffen wir viele alte Bekannte: das Paar von der SV Kamoi, Max und Jan auf ihrer grünen SV Serenas (immer schon von Weitem zu erkennen).

In einem kleinen Gassenlokal, unscheinbar und versteckt, essen wir köstliches, authentisches lokales Essen. So etwas findet man nur durch gute Tipps oder lange Aufenthalte.
Besonders schön: Romel, Jakobs Freund und „Brother“, erkennt uns wieder, obwohl unser letztes Treffen schon Monate her ist. Mit einem breiten Grinsen kommt er auf uns zu. Ein Moment, der zeigt, wie tief manche Verbindungen auch in kurzer Zeit werden können. Hier auf Bequia fühlen wir uns tatsächlich angekommen. In der Gemeinschaft, in der Umgebung, in diesem besonderen Inselleben.

Ein Ausflug führt uns zu Fuß über die Insel. Die Mädels sammeln Blüten, Kokosnüsse und Calabash-Früchte. Die perfekte Grundlage für zukünftige Bastelprojekte. Am Strand feiern wir einen perfekten Karibiknachmittag mit einem Sundowner in der Hand und unsere Mädels genießen das türkisblaue Wasser.

Ganz nebenbei wird an Bord noch gearbeitet. Die Impeller mussten gewechselt werden. Auf Steuerbord hatte einer der Flügel schlappgemacht. Bemerkt durch gelegentlichen leichten Rauch am Auspuff. Solche Reparaturen gehören eben auch dazu. Auch im Paradies.

Andere Eltern müssen warten, bis ihre Kinder 18 sind, um vielleicht mal von ihnen mit dem Auto abgeholt zu werden. Wir werden hier schon mit sieben, stilecht per Dinghy eingesammelt. 😀 Ludowika sitzt strahlend am Außenborder, als hätte sie nie etwas anderes gemacht, und düst durch die Bucht, als wäre Bequia ihr Heimathafen seit Jahren. Unterstützung bekommt sie dabei von ihrer kleinen Schwester, die beim Anlegen zuverlässig die Leine reicht. Und das mit einer Professionalität, die wir Erwachsenen manchmal nicht hinbekommen. 😉 Die zwei sind ein echtes Dream-Team auf See: konzentriert und vor allem motiviert. Unsere Mädels haben mich ganz selbstverständlich von einem befreundeten Boot abgeholt. Ich saß da mit meiner Tasche im Schlepptau und kam mir kurz vor wie eine VIP mit persönlichem Shuttle-Service. Nur halt in „Gummiboot“ und mit jeder Menge Salzwasser im Gesicht. Wir platzen fast vor Stolz. Und lachen viel. Auch darüber, dass hier irgendwie alle ständig über sich hinauswachsen. Selbst und vor allem die Kleinsten.

Diese Strecke von Guadeloupe bis Bequia war mehr als nur eine Verbindung zweier Punkte. Sie war eine Reise durch Freundschaft, Natur, Technik, Wetterlaunen, Gaumenfreuden und die ganz persönliche Erfahrung, wie schön es ist, Teil dieser kleinen, wandernden Seglergemeinschaft zu sein.


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