Barbados 31.12 – 17.01.

Nach mehreren Wochen (vier) auf getrennten Wegen war es endlich so weit. Wir drei Mädels landeten mit wowka (deutsch: Oma) im Gepäck auf Barbados und konnten es kaum erwarten, Jakob wieder in die Arme zu schließen. Während er mit zwei Freunden unser Boot sicher über den Atlantik gebracht hatte, waren wir über Weihnachten in der Heimat. Nun also das große Wiedersehen auf karibischem Boden!

Doch wie es beim Segeln so oft ist, kam alles ein bisschen anders. Eine hartnäckige Flaute verzögerte die Ankunft der Jungs um etwa drei Tage. Der Wind machte einfach Pause. Also verbrachten wir die ersten Tage auf der Insel noch ohne unser schwimmendes Zuhause. Stattdessen zogen wir in ein kleines Hotel und feierten als erstes eine lustige Silvesternacht. Unsere Mädels waren von den ersten drei Tagen in der Karibik alles andere als enttäuscht. Sie stürzten sich mit großer Begeisterung in den Hotelpool, spielten am Strand und genossen es sichtlich, wieder Sonne, Meer und Sand unter den Füßen zu haben. 😁

Als die Jungs endlich ankamen, war die Freude riesig! Nicht nur, weil wir endlich wieder komplett waren, sondern auch, weil wowka nun zum ersten Mal unser Boot, unser Zuhause und unseren Alltag in der weiten Welt erleben durfte. Es war etwas ganz Besonderes, ihr zu zeigen, wie wir leben und wie wir unterwegs sind.
Und dann endlich: zurück an Bord. Unser Zuhause schaukelte wieder sanft unter uns, diesmal vor Anker in der kleinen, charmanten Stadt Speightstown an der Westküste der Insel.

Unsere ersten gemeinsamen Tage verbrachten wir in Speightstown, einem charmanten Städtchen im Nordwesten von Barbados. Oft liebevoll „Little Bristol“ genannt, ist es eine der ältesten Siedlungen der Insel. Hier scheint die Zeit ein wenig langsamer zu ticken. Koloniale Bauten stehen neben bunten Holzhäusern, kleine Shops und Cafés reihen sich aneinander.

Und es kam noch besser: Kaum waren wir angekommen, keine vier Tage in der Karibik, trafen wir unabhängig voneinander gleich fünf befreundete Boote, die ebenfalls den Atlantik überquert hatten! Alle hatten sie nur wenige Tage Unterschied in ihrer Überfahrt, und plötzlich lagen sie alle hier, direkt um uns herum. Es war wie ein großes, ungeplantes Wiedersehen der Segelfamilie. Nach vier Wochen Heimaturlaub fühlte es sich an wie Heimkommen. Nur diesmal in Badehose, Rum-Punch in der Hand und Sand zwischen den Zehen. Eine riesige Freude, so viele vertraute Gesichter wiederzusehen, Geschichten auszutauschen und gemeinsam zu lachen.
Nach ein paar Tagen spürten wir, wie schnell sich auch unsere Mädels wieder in die lebendige Welt der Seglerkinder eingefunden hatten. Die Community ist wie eine Familie, über Grenzen und Sprachen hinweg. Schon bald wurden sie zu einem Kindergeburtstag eines befreundeten Familienbootes eingeladen. Es war ein riesiges Vergnügen, die Kinder am Strand toben zu sehen, wild lachend zwischen Wellen, Geburtstagskuchen und Sandburgen. Für uns Eltern war es ein schönes Zeichen: Diese Reise, dieses Leben auf dem Wasser, schenkt nicht nur Erlebnisse – sondern echte Verbindungen.

Natürlich lernten wir auch den berühmten karibischen Rum-Punsch kennen. Süß, fruchtig und mit einem ganz eigenen Kick. Dazu gab’s den besten Fischburger der Insel. In einer kleinen Strandhütte ganz in der Nähe von Speightstown. So beliebt, dass täglich nur so viel verkauft wird, wie frisch gefangen wurde. Wenn der Fisch aus ist, macht die Küche einfach zu. Als wir dort waren, lief dazu noch Live-Reggae-Musik direkt am Strand. Die Stimmung? Unbeschreiblich. Entspannt, fröhlich, warmherzig: Karibik pur.

Englisch ist die Amtssprache, die meisten sprechen aber auch das lokale Bajan-Creole, das voller Rhythmus und Lebensfreude steckt. Barbados ist ein Land mit Geschichte. Einst war es eine britische Kolonie, heute unabhängig, aber mit sichtbaren Spuren aus beiden Welten. Die Wirtschaft lebt stark vom Tourismus, aber auch vom Anbau von Zuckerrohr und Rumproduktion. Nicht umsonst gilt Barbados als Heimat des Rums.
Barbados ist atemberaubend schön, keine Frage. Und doch zeigt die Insel auch eine andere, ruhigere Seite. Eine, die uns nachdenklich gemacht hat. Inmitten der tropischen Farbenpracht, zwischen Palmen und bunten Häusern, stößt man immer wieder auf verlassene Hotelruinen und leerstehende Häuser, die langsam von der Natur zurückerobert werden. Viele dieser Gebäude stammen aus Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs und touristischen Booms. Doch politische und wirtschaftliche Unsicherheiten, Naturkatastrophen wie Hurrikane sowie die Folgen der Corona-Pandemie haben Spuren hinterlassen. Der Tourismus brach vielerorts ein, Investoren sprangen ab, Projekte blieben unvollendet oder wurden aufgegeben. Heute stehen sie wie stille Zeugen einer anderen Zeit da: melancholisch, aber auch faszinierend.
Diese Ruinen erinnern uns daran, dass nicht alles so paradiesisch ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Und dass das Leben auf einer karibischen Insel auch Herausforderungen mit sich bringt.
Gleichzeitig strahlen die Menschen hier trotz allem eine beeindruckende Stärke, Lebensfreude und Zufriedenheit aus. Das karibische Lebensgefühl ist kaum in Worte zu fassen. Es ist ein Mix aus Wärme, Musik, Ruhe und einem unerschütterlichen Optimismus. Die Menschen hier sind offen, herzlich und lebensfroh. Viele Barbadianer leben eher einfach, aber mit einer bewundernswerten inneren Ruhe und Zufriedenheit. Ihre Gelassenheit ist ansteckend und erinnert uns immer wieder daran, was wirklich zählt.

Bevor es für uns weiter in die Hauptstadt Bridgetown ging, hieß es Abschied nehmen. Jakobs wunderbare Segelgefährten traten ihre Heimreise an (oder verbrachten mit ihrer Partnerin noch etwas Zeit auf einer Nachbarinsel). Ihr habt Jakob und unser Boot sicher über den Atlantik gebracht – tausend Dank dafür! 🙂

Nach ein paar wundervollen Tagen vor Anker im Norden von Barbados stand für uns der nächste Abschnitt an: die Segelstrecke hinunter nach Bridgetown, der Hauptstadt der Insel. Doch vorher stand noch eine Reparatur an. Das Steuerbordruder unseres Katamarans machte uns Sorgen. Ein Problem, das bereits mitten auf dem Atlantik seinen Anfang nahm. Damals waren es nur leichte Irritationen beim Steuern, aber so richtig fiel das Ganze unserem Mitsegler Robin erst beim ersten Tauchgang auf Barbados auf. Was er da sah, ließ uns alle aufhorchen: Das Steuerbordruder schwang frei. Keine Verbindung mehr zur Steuerung.
Jakob ging sofort der Sache auf den Grund, schraubte sich durch die Konstruktion und stellte schließlich fest: Ein Bolzen am Ruderquadranten war gebrochen. Zum Glück sind Segler nicht nur Abenteurer, sondern oft auch unglaublich hilfsbereit. Ein befreundetes Boot hörte von unserem Problem, besorgte passende Ersatzbolzen im Süden der Insel – in Bridgetown – und brachte sie kurzerhand zu uns in den Norden. Einfach so. Ihre Route führte ohnehin in unsere Richtung. Diese kleine Geste bedeutete für uns riesige Erleichterung.

Mit dem reparierten Ruder machten wir uns schließlich auf den Weg nach Bridgetown.Bridgetown selbst begrüßte uns mit Trubel, Musik, Farben und einer großen Portion karibischer Lebensfreude. Die Stadt wirkt auf den ersten Blick wie ein Mosaik aus kolonialer Vergangenheit und gelebtem Jetzt – charmant, chaotisch, laut und lebendig.
Besonders ins Herz geschlossen haben wir das Straßenessen. Überall stehen kleine Lieferwagen oder Transporter, aus denen frisch gekocht wird. Würziges Jerk Chicken, gebratener Fisch, Callaloo, gebratene Bananen, Macaroni Pie, Reis mit Erbsen und das beliebte „Flying Fish“. Für ein paar Dollar bekommt man eine riesige Portion, meist liebevoll zubereitet. Und auch wenn wir die Vielfalt genossen haben, fiel uns eines negativ auf: Fast alles wird in Einwegplastik verpackt und serviert.

Ein echtes Highlight war der Strand, an dem wir ankerten, der gleichzeitig der Hotspot für die großen Kreuzfahrtschiffe ist. Wenn so ein Schiff anlegt, wirkt es, als ob eine ganze Stadt auf einmal ausgespuckt wird: Menschenmassen strömen in Bussen und Taxis zu den „Top Spots“ der Insel. Dem schönsten Strand, der besten Sehenswürdigkeit, dem angesagtesten Strandclub. Alles wirkt organisiert, geleckt, perfekt in Szene gesetzt. Karibik in Hochglanz.
Doch das echte Barbados liegt ein paar Straßen weiter. Wir sind zu Fuß zum Strand gelaufen. Vorbei an heruntergekommenen Häusern, nicht fertiggestellten Baustellen, leerstehenden Geschäften und staubigen Seitenstraßen. Hier spürten wir zum ersten Mal so richtig, wie die Menschen leben, was Barbados auch abseits der Touristenzonen ausmacht. Kleine Tante-Emma-Läden, improvisierte Werkstätten, neue Bauten mitten im Entstehen, Straßenverkäufer mit kleinen Holzständen. Und mittendrin: Kinder, die barfuß auf der Straße spielen, Frauen, die Obst verkaufen, Männer, die sich im Schatten unterhalten.

Dieser Kontrast war krass und auch wertvoll. Wir waren dankbar, mehr als nur die Postkartenkulisse zu erleben. Denn so schön der Strandclub auch war (und das war er wirklich – mit toller Musik, karibischem Flair und köstlichen Cocktails), so sehr hatten wir das Gefühl, dass viele Touristen kaum mitbekommen, wie Barbados wirklich ist (oder auch die anderen Karibischen-Inseln).

Ein Moment, der uns besonders in Erinnerung bleibt: Wir frühstückten gerade gemütlich auf unserem Boot, als plötzlich ein Pferd mit einem Reiter durchs Wasser schwamm. Mitten zwischen den ankernden Booten. Wir waren erst sprachlos, dann neugierig und erfuhren später, dass es sich um Pferde von der nahegelegenen Rennbahn handelte. Sie werden hier im Meer trainiert. Ein skurriles, wunderschönes Bild, das wir so sicher nie vergessen werden. 😁

In Bridgetown selbst haben wir uns natürlich auch die Sehenswürdigkeiten in der Stadt angeschaut. Die beeindruckende St. Michael’s Cathedral, das imposante Parlamentsgebäude, der National Heroes Square… Alles Orte mit Geschichte und Bedeutung. Bridgetown hat viele Gesichter. Besonders eindrucksvoll ist die Mischung aus britischem Erbe und karibischem Lebensgefühl – irgendwie Queen und Reggae in einem Atemzug. Sowie zwischen Tourismusglanz und echtem Alltag.

Nach zwei Wochen auf Barbados war es dann leider auch schon wieder so weit. Wir mussten erneut Abschied nehmen. Unsere Mädels und wir brachten wowka noch gemeinsam zum Flughafen. Mit schwerem Herzen, aber auch mit vielen schönen Erinnerungen im Gepäck. Ihr Urlaub war vorbei, unsere Reise ging weiter. Die Zeit mit ihr an Bord war für uns alle etwas ganz Besonderes. Es ist ein Geschenk, solche Erlebnisse gemeinsam teilen zu können.

Am nächsten Tag wartete noch ein ganz besonderer Ausflug auf uns. Gemeinsam mit unseren neu gewonnenen Segelfreunden und ihren Kindern aus den USA machten wir uns auf den Weg ins Inselinnere – auf der Suche nach dem noch einzigen erhaltenen Regenwald von Barbados. Unser Transportmittel war dabei schon das erste Highlight: ein kleiner, ziemlich klappriger Minibus, wie er hier ganz typisch als öffentliches Verkehrsmittel genutzt wird. Diese bunt lackierten, oft überfüllten Kleinbusse gehören fest zum Straßenbild von Barbados. Sie fahren ihre Routen mit laut dröhnender Reggae-Musik, viel Lachen und immer einem kleinen Augenzwinkern. Unser Bus war da keine Ausnahme. Die Sitze durchgesessen, das Lenkrad leicht schief, Türen, die man mit einem kräftigen „Schwung“ schließen muss, aber die Stimmung war einfach großartig. Aus den Boxen wummerte Reggae, die Fenster waren ständig offen, um die tropische Luft hereinzulassen, und unser Fahrer grinste von einem Ohr zum anderen. Es war nicht luxuriös, aber authentisch karibisch, vor allem auch die Straßenbeschaffenheit. 😂

Unser Ziel: das naturgeschützte Welchman Hall Gully im Norden der Insel. Ein ursprüngliches Stück Regenwald mit riesigen Bambussträuchern, Würgefeigen, Mahagoni- und Brotfruchtbäumen. Hier kann man noch spüren, wie Barbados wohl einmal ausgesehen haben muss, bevor Zuckerrohrplantagen das Bild prägten. Inmitten dieser grünen Oase leben auch wilde Grüne Meerkatzen (Green Monkeys). Mal gut getarnt im Geäst, mal mutig ganz nah bei den Besuchern.

Am Tag darauf ging es für uns und ein weiteres Buddy-Boot wieder zurück Richtung Speightstown. Ein letzter Zwischenstopp, bevor wir Barbados verlassen.
Der nächste Morgen begann offiziell: Ausklarieren bei Customs und Immigration. Eine der weniger romantischen Seiten des Segelns, und doch notwendig. Danach wollten wir Barbados nicht verlassen, ohne uns noch ein letztes kulinarisches Highlight zu gönnen. Den vielleicht besten Fischburger der ganzen Insel, direkt am Strand, mit frisch gegrilltem Fisch. Den Rum Punch dazu bunkerten wir direkt mit ein – zum Anstoßen auf unser Ankommen in Bequia. Ein letzter Schluck Barbados für den nächsten karibischen Sonnenuntergang.

Dann war es so weit: Leinen los – auf Nachtfahrt Richtung Bequia. Unsere Mädels konnten es kaum erwarten. Denn bei Nachtfahrten gibt es für sie ein ganz besonderes Ritual: Der Tisch im Salon wird abgesenkt, Matratzen ausgebreitet und eine große Liegewiese entsteht. Sie lieben diese besonderen Nächte und Überfahrten.

Fazit: Barbados hat uns mehr als nur seine Schokoladenseite gezeigt und genau das hat den Aufenthalt für uns so besonders gemacht. Es war nicht immer glänzend, aber immer echt. Und vielleicht ist genau das das größte Geschenk, das einem so eine Reise machen kann.